Die Sage vom Silberhohl
Das Silberhohl in der Nähe von Seesen ist heute ein Naturschutzgebiet. Einst soll hier die Hühn´sche Burg gestanden haben. Herrlich und in Freuden lebten die Besitzer bei Becherklang und Würfelspiel; als Wegelagerer plünderten sie vorüberziehende Kaufleute aus; sie mordeten und brandschatzten in den Orten der Umgebung; füllten so die schweren, eichenen Truhen mit Geld, Gold und Geschmeide. In der ganzen Gegend waren die Räuber wegen ihrer Grausamkeit gefürchtet und gehasst. Nur Jutta, die Tochter des Burgherrn Wulfardus, wurde von den nicht gerade mit Reichtum gesegneten Einwohnern geachtet und geliebt. Denn wenn der wüste Vater mit seinen Raubgesellen auf Beute auszog, eilte sie zu den Armen und Kranken, brachte ihnen zu essen, pflegte sie und verteilte das Wenige, das ihr der hartherzige Vater zukommen ließ. Eines Tages nun kehrten die Ritter mit reicher Beute beladen von einem Raubzug zurück. Wieder begann das Zechgelage, wieder erscholl weithin tönend das Geschrei der trunkenen Mordgesellen. Da plötzlich bebte die Erde; leuchtende Blitze zuckten vom Himmel, fürchterlich prallte der Donner. Die Mauern der festgefügten Burg begannen zu wanken, der Erdboden öffnete sich, und mit entsetzlichem Getöse sank die Burg in den gähnenden Abgrund, der sich über ihr schloss. Mit der Burg verschwand aber auch ihr Name, und das Volk nannte fortan den Ort, an dem sie versank, das Silberhohl; denn ein unermesslicher Schatz an Silber soll dort in der Tiefe ruhen. Jutta aber war noch lange der gute Geist der Leidenden in der Umgebung des Silberhohls. Als eine weiße, von einem dichten Schleier umwallte Gestalt trat sie in die Kammern der Kranken, tröstete sie und half ihnen. Und wer, so die Sage, Jutta einmal zu sehen begehrt, der muss in der Neujahrsnacht – oder am Johannistag – um Mitternacht hier her zum Silberhohl kommen. Dann sieht er Jutta umherirren, als suche sie noch immer die versunkene Burg.